Liedertafel Erding e.V.

Zeitgeschehen der Liedertafel in Erding

Geschichtliche Perspektive zur Gründungszeit

Die Erdinger Liedertafel kann auf eine lange Geschichte und Zeitgeschehen zurückblicken. Um es in Perspektive zu setzen, ihre Gründung fand zu einer Zeit statt als König Maximilian II Bayern regierte. Dieser übergab im Jahre 1848, als die Liedertafel Erding schon 4 Jahre bestand, seine Regentschaft an seinen Sohn König Ludwig II. Zur gleichen Zeit war Deutschland von einer Revolution beherrscht, mit Bestrebungen schon seit 1815 zu mehr Liberalismus und nationalen Bewegungen. In München mündeten diese Ereignisse im März 1848 zur Proklamation noch durch König Ludwig I. Es war auch die Zeit in der das Königreich Bayern als Verbündeter Österreichs in den Krieg gegen die Preußen zog und später 1871 im Schutzbündnis mit Preußen gegen Frankreich. Dort übergab Mitte des 19. Jahrhunderts der französische König Ludwig Philipp I seine Macht an den späteren Kaiser Louis Napoleon Bonaparte (Napoleon III).

Ein markantes Zeitgeschehen im Gründungsjahr der Liedertafel Erding war die Münchener Bierrevolution im März 1844 gegen eine geplante Bierpreiserhöhung von König Ludwig I.

Ereignisse in Erding

In dieser turbulenten Zeit gab es in der Stadt Erding mit damals rund 4000 Einwohnern mindestens zwei bemerkenswerte Ereignisse. Damalig gründete Josef Bachmair im Jahre 1850 die Erdinger Glockengießerei im ehemaligen Spitalhof. Die später weltbekannten Erdinger Glocken wurden noch bis weit ins 20. Jahrhundert dort produziert. Sechs Jahre früher jedoch, im Jahre 1844 taten sich vierzehn Herren aus verschiedenen Berufssparten zusammen, um den 4-stimmigen Männergesang zu pflegen. Das war die Gründungsstunde der Erdinger Liedertafel am 16. Juni 1844, ebenfalls initiiert von Josef Bachmair.

Vereinsgründung

Auflagen für die erste Liedertafel

Weil das politisch aktive Treiben der Burschenschaften, der Turner und Sänger den damals Regierenden höchst suspekt war, wurde die Genehmigung vom 20. August 1845 durch die königliche Regierung von Oberbayern an strenge Auflagen gebunden. Eine dieser Auflagen hatte den Wortlaut: “Insofern die besagte Liedertafel mit anderen in- oder ausländischen Gesangsvereinen in Verbindung tritt, hat dieselbe vorerst nachzuweisen, dass dieselben gleiche Zwecke verfolgen und nach ihrer Organisation zu keinen begründeten Bedenken Anlass geben.”

Wappen der Liedertafel Erding
Das Wappen der Liedertafel Erding

Berufe und Stände

Von der Gründung an stellten stets Bürger wie Hutmacher, Silberarbeiter, Kürschnermeister, Zinngießer, Weber, Apotheker, Säckler, Bortenmacher oder Seiler den harten Kern der Sängerschar dar. Jedoch auch königliche Taxbeamte, Stadtmusiker oder Gutsbesitzer fehlten nicht.

Im Jahre 1878 sind der königliche Landrichter Joh. Baptist Cantler und der Major Karl von Washington, 1920 der Kunstmaler Hiasl Maier als außerordentliche Mitglieder im Verzeichnis aufgeführt. Getreu dem Wahlspruch aus der Zeit der Gründung “Nicht Rang, nur Sang” finden auch heute Sängerinnen und Sänger quer durch alle Berufe zusammen.

Auszüge aus der Festschrift zur 150 Jahre Feier zum Zeitgeschehen der Liedertafel Erding

Vereinsfahne

Das erste Banner

Das erste Banner der Liedertafel wurde bei Josef und Emilie Grosjean, Magazin aller für Stickerei erforderlichen Materialien, München, in Auftrag gegeben. Am 8. Juli 1846 fand die Fahnenweihe statt – zum Zeitgeschehen, am gleichen Tag war das Geburtstagsfest Ihrer Majestät der Königin Therese von Bayern.

Die Vereinsstandarte

Das Banner der Erdinger Sänger hat wegen seiner Mächtigkeit und Schönheit auf allen Sängerfesten großes Aufsehen  erregt. Um es aber zu schonen entschied sich der Verein im Jahre 1922 zur Beschaffung einer Vereinsstandarte. Während der Inflation gab man sie bei den Armen Schulschwestern in Giesing in Auftrag  und am 28. Dezember 1922 enthüllte man sie feierlich bei einem internen Vereinsabend.

Die neue kleinere Vereinsfahne

Am 1. März 1932 beschloss man erneut die Anschaffung einer Vereinsfahne. Sie sollte zwar der ersten Fahne gleichen, jedoch kleiner sein, da sich stets Schwierigkeiten beim Transport und beim Tragen der alten, großen Fahne ergeben hatten.  Am 17. Oktober 1933 war die Weihe der neuen Fahne.

Auszüge aus der Festschrift zur 150 Jahre Feier zum Zeitgeschehen der Liedertafel Erding

Vereinsfahne der Liedertafel Erding
Die Vereinsfahne der Liedertafel Erding

Vereinsleben

Auf und Ab der Aktivitäten

Von den vierzehn Sängern wird berichtet, dass sie wöchentlich zum “Quartettsingen” zusammenkamen. Der Verein blühte schnell auf, hatte er doch nacheinander angesehene Vorstände.

Das bald zwei Jahrhunderte währende Zeitgeschehen der Liedertafel Erding zeigt sowohl glanzvolle Höhepunkte als auch Zeiten mit ruhender Aktivität. So ließ 1852 die Anteilnahme der Bevölkerung an den Proben so nach, dass man am 19. Dezember 1852 beschloss, “den Ausschuss zu ersuchen, im Amt zu bleiben und die Gesellschaft bis auf weiteres in ruhenden Aktivitäten zu erhalten”. So geschah es auch. Von 1852-1859 und 1866-1875 ruhte die Aktivität der Liedertafel, nicht aber der Verein.

Kneipen

Die lange Geschichte des Vereinslebens war aber dennoch von stetigen Aktivitäten geprägt. Das Zeitgeschehen war geprägt von wöchentlichen Zusammenkünften, die man früher als “Herrenkneipe” bezeichnete. Heute spricht man von Chorproben. Auch die “Weihnachtskneipe”, unsere heutige Weihnachtsfeier, findet immer noch traditionell am 28. Dezember am “Tag der unschuldigen Kinder” statt.

Ein besonderes Erlebnis war auch der jährlich stattfindende Ausflug. In Aufzeichnungen des Zeitgeschehens aus dem Jahre 1907 ist zu lesen, dass der Abmarsch der Sänger vom Vereinslokal zum Sommerfest im Trindl-Keller unter den Klängen der Stadtkapelle erfolgte!

Auszüge aus der Festschrift zur 150 Jahre Feier zum Zeitgeschehen der Liedertafel Erding

Vereinslokal

Das erste ständige Vereinslokal

Im Laufe von bald zwei Jahrhunderten Zeitgeschehen wurde das Vereinslokal aufgrund von Abriss, Umbau oder wegen Differenzen mit den Wirtsleuten des Öfteren gewechselt. Das erste ständige Gesellschaftslokal nach der Gründung 1844 war bei Wach, dem späteren Gasthof Lex. Für die Benutzung fielen keine Mietkosten an, jedoch mussten die Kosten für Beleuchtung und Beheizung vom Verein selbst bestritten werden. Es folgten mehrere Wechsel des Vereinslokals wegen Unzufriedenheit mit der Bewirtung oder wegen räumlicher Unzulänglichkeiten. Oftmals probte man auch nur an einem beliebigen Ort. Ein Glücksfall war dann das Vereinslokal Trindl. Endlich konnte man sich dann hier ab 1889 für einen längeren Zeitraum zu den Proben und zu Feierlichkeiten treffen. Erst als man nach 28 Jahren das Anwesen verkaufte, begann für die Liedertafel wieder eine nicht sesshafte Zeit.

Das Entgegenkommen der Stiftungsverwaltung ermöglichte es jedoch, dass die Liedertafel am 28. November 1922 in ihr Stammhaus aus der Gründungszeit im Jahr 1844 zurückkehren konnte.

Das große Vereinslokal mit Chorraum und Bühne

Wegen der Gründung des Frauenchores im Jahre 1921 und dem Ausbau des Orchesters erwies sich das neue Lokal aber bald als zu klein, so dass man eine Erweiterung erwog. Im Rückgebäude des Stiftungskomplexes, Gasthof Lex, fanden die notwendigen Um- und Einbaumaßnahmen statt. Am 8. Mai 1928 konnte das vergrößerte Vereinslokal eingeweiht werden. Es bestand aus einem äußerst geräumigen Gastraum und einem separaten Chorraum mit direkter Türe zur Bühne. Sämtliche Instrumente, Notenmaterial und Archivbestand wurden nun hier aufbewahrt. Ebenso die Vereinsfahne hatte ihren Platz im eigens dafür vorgesehenen Fahnenkasten.

Beim Bombenangriff auf Erding, am 18. April 1945 wurde diese Traditionsgaststätte zerstört. Viel schöner Besitz fiel in Schutt und Asche.

Die Lokale der Liedertafel nach 1948

Nach dem Zweiten Weltkrieg bereitete die Lokalfrage der Vereinsleitung erneut große Sorgen. Durch das Entgegenkommen der Postpächter bekam die Liedertafel im November 1948 einen Raum im Gasthof zur Post zugewiesen. Hier fühlte man sich wohl und es blieb auch das Vereinslokal bis zum Umbau im Jahre 1980.

Von 198o bis 1992 traf man sich beim „Schmidbauer“ und erst nach der Lokalschließung wechselte der Verein für weitere zum 25 Jahre zum Stammlokal „Mayr Wirt“ bis dort die Schließung wegen baulicher Mängel im Dezember 2017 anstand. Bis heute trifft sich die Liedertafel nach den Proben zum geselligen Beisammensein im Lokal Empl Keller.

Bis zum Jahre 1972 spielte sich das gesamte Vereins-Leben – Proben und Geselligkeit – im jeweiligen Vereinslokal ab. Erst seitdem Hans Mayrhofer und später Hans-Georg Schwarz ihre Tätigkeit als Chorleiter übernahmen, werden die Proben in einem neutralen Raum in der Grundschule am Grünen Markt durchgeführt.

Auszüge aus der Festschrift zur 150 Jahre Feier zum Zeitgeschehen der Liedertafel Erding

Aktivitäten

Auftritte und Aufbau von Gemeinschaften

Wurden in alter Zeit hauptsächlich deutsche Volkslieder gepflegt, so sang man später Opernchöre, humoristische Lieder, Volks-, Trink- und Lagerlieder. Aber nicht nur das, man führte auch vollständige Operetten und Singspiele auf.

Die Liedertafel stellte sich oft in den Dienst der Wohltätigkeit, besonders in schwierigen Zeiten. Sie war ebenso vertreten bei der Prinzregentenfeier in München 1891, bei Geburtstagsfesten des Prinzregenten, beim 25jährigen Regierungsjubiläum des deutschen Kaisers Wilhelm II, der Jahrhundertfeier der Völkerschlacht bei Leipzig in Kehlheim am 25. August 1913.

Die Mitglieder der Liedertafel bauten Sängerfreundschaften im bayerischen Land auf und pflegte sie. Diese Gemeinschaften gingen mit Gesangsfesten u.a. in Landshut, Regensburg, Passau, Traunstein einher.

Die Einbindung in den Deutschen Sängerbund war dann auch mit größeren Reisen wie 1845 nach Würzburg, 1890 nach Wien,1902 nach Graz und 1907 nach Breslau für die Liedertafel Erding verbunden. Mit der Mitgliedschaft im Bayerischen Sängerbund war sie vertreten bei Bundesversammlungen und Bayerischen Sängerfesten.

Besucher auf dem Sängerfest 1924 in Erding
Sängerfest 1924 in Erding

Aktivitäten in der jüngeren Zeit

Bedeutungsvoll für die Pflege des Männerchorgesanges war das Jahr 1911, als sich 13 Vereine zum Isar-Ilm-Sängergau zusammenschlossen.

Bis heute bringt die Liedertafel deutsche und international Volkslieder, Jagdlieder, Chorwerke aus Renaissance und Barock, wie zum Beispiel die Händeloper „Acis und Galatea“, Carl Orffs „Carmina Burana“, Andreas Romberg „Das Lied der Glocke“, Georg Friedrich Händel „Das Alexanderfest“ zu Gehör. Nicht zuletzt hat sie auch viele zeitgenössische Stücke im Repertoire.

Sie war vertreten bei der Auftaktveranstaltung am 14. Januar 1978 zur 750-Jahrfeier der Stadt Erding mit der Interpretation der Orffchen Chöre. Der Festzug zu diesem Anlass am 16. Juli 1978 wurde mit einem Festwagen unter dem Leitspruch „Nicht Rang, nur Sang“ begleitet.

Auch die Aufführung der „Carmina Burana“ bei den 6. Ingolstädter Chortagen am 13. Oktober 1984 war ein Glanzlicht.

Es sind nicht nur die großen Konzerte während des langen Zeitgeschehens, die die Liedertafel seit ihres Bestehens belebte. Sich wiederholende Auftritte im Jahreslauf wie zum Beispiel Passionssingen, Gottesdienstgestaltung, Erdinger Sommerwochen, Advent- und Weihnachtssingen und die Beteiligung bei Chortreffen trugen auch dazu bei.

Auszüge aus der Festschrift zur 150 Jahre Feier zum Zeitgeschehen der Liedertafel Erding

Aufführung von Carmina Burana 1981, Turnhalle am Lodererplatz
Aufführung von Carmina Burana 1981

Auszüge aus der Chronik

Schrift um etwa 1890

„Der Besuch der ordentlichen Chorproben wird streng überwacht durch jedesmaliges Verlesen der Präsenzliste. Man stellte die Säumigen rücksichtslos an den Pranger und der bissige Humor der ganzen Sängerschar versüßte dem reuigen Sänger keineswegs die an sich schon peinliche Exposition. Der Erfolg dieser Gepflogenheiten ist für den regelmäßigen Besuch der Proben ein sehr guter. Nach zwei Stunden ununterbrochenen, von den nimmer müden Sängern gar nicht gefühlten Schleifens setzt alsdann der Ulk ein, der mitunter schon so kräftig und langdauernd gewesen sein soll, dass sich die Geister des schlanken Türmchens der einstigen Liebfrauenkirche am Stadtplatz wiederholt schon sollen zugeraunt haben, was denn heute in so spätmitternächtlicher Stunde noch für Töne und Laute zu vernehmen seien.“

Schrift um 1899

„Der Faschingsball war so schlecht besucht, es konnte nichts geschrieben werden.“

 Schrift um 1902

„Einen schönen Verlauf, vom herrlichen Juniwetter begünstigt, nahm am Johannitag der Ausflug der Liedertafel. In stattlicher Anzahl bewegte sich der Festzug zum Stammlokal nach dem prächtigen Trindlkeller. Ein feucht-fröhliches Leben entwickelte sich bald nach der Ankunft in dem schönen schattigen Keller und würde sich das Treiben sicherlich noch viel animierter gestaltet haben, wenn die hiesige junge Männerwelt sich der Laune ihrer Schönen gefügt und mehr dem Tanzvergnügen gehuldigt hätte.“

Schrift um 1914

„Wie schon im November vorigen Jahres hingewiesen wurde, haben zur Faschingsunterhaltung der Liedertafel nur Mitglieder nebst Angehörigen und auswärtige Gäste, welche der Vorstandschaft bei Eintritt vorzustellen sind, Zutritt. Um Zweifel vorzubeugen, wird hierzu bemerkt, dass als Angehörige alle nicht selbstständigen Personen, die in verwandtschaftlicher Beziehung, Tisch und Wohnung mit dem Mitglied teilen, als auswärtige Gäste jene Personen zu verstehen sind, welche außerhalb der Stadtgrenze wohnen.“

Auszüge aus der Festschrift zur 150 Jahre Feier zum Zeitgeschehen der Liedertafel Erding